Bedarfsermittlung – Definition und Anwendung
Die Bedarfsermittlung, auch bekannt als Materialbedarfsermittlung oder Beschaffungsdisposition, ist ein betriebswirtschaftliches Verfahren, das den zukünftigen Bedarf an Rohstoffen, Komponenten und Hilfsstoffen prognostiziert. Durch diese systematische Planung wird sichergestellt, dass alle notwendigen Materialien in der richtigen Menge und zum optimalen Zeitpunkt für die Produktion bereitstehen.
Wesentliche Ziele und Funktionen
- Optimierung der Produktion:
Die Bedarfsermittlung liefert wichtige Informationen zur Planung der Fertigung. Sie hilft dabei, Produktionspläne zu erstellen und Engpässe zu vermeiden. - Lagerhaltung und Bestandskontrolle:
Durch präzise Prognosen wird Überbeständen vorgebeugt und Fehlbestände minimiert. Dies führt zu geringeren Lagerkosten und reduziert die Kapitalbindung. - Lieferkettenmanagement:
Die ermittelten Daten unterstützen Make-or-Buy-Entscheidungen und tragen zur Gesamtoptimierung der Lieferkette bei.
Arten des Materialbedarfs
- Primärbedarf:
Umfasst die Endprodukte, die an Kunden verkauft werden – von Konsumgütern bis zu technischen Erzeugnissen. Dieser Bedarf bestimmt maßgeblich das Produktionsprogramm. - Sekundärbedarf:
Bezieht sich auf die Materialien, die zur Herstellung der Endprodukte benötigt werden. Dazu gehören Rohstoffe, Einzelteile und Baugruppen, die aus Stücklisten und Produktionsplänen abgeleitet werden. - Tertiärbedarf:
Umfasst Hilfs- und Betriebsstoffe, wie Verpackungsmaterialien, Schmiermittel oder Reinigungsprodukte, die im Produktionsprozess verwendet, aber nicht in das Endprodukt integriert werden.
Methoden der Bedarfsermittlung
Die zukünftige Materialmenge kann auf verschiedene Weise ermittelt werden:
- Deterministische Methode:
Basierend auf dem aktuellen Produktionsplan und bekannten Absatzprognosen wird der zukünftige Bedarf direkt aus dem bestehenden Programm abgeleitet.
Beispiel: Wird das Produktionsprogramm für ein Produkt festgelegt, wird der Nettobedarf ermittelt, indem der vorhandene Lagerbestand vom Bruttobedarf subtrahiert wird. - Stochastische Methode:
Historische Verbrauchsdaten werden statistisch ausgewertet, um den zukünftigen Bedarf zu prognostizieren.
Beispiel: Eine Analyse der Verbrauchsdaten der vergangenen Perioden wird herangezogen, um Trends zu erkennen und zukünftige Schwankungen abzuschätzen. - Heuristische Methode:
Hier verlässt sich das Unternehmen auf die Erfahrung von Fachleuten oder Disponenten, um den Bedarf zu schätzen, wenn keine ausreichende Datenbasis vorhanden ist. - Regelbasierte Methode:
Durch Anwendung vordefinierter Regeln (z. B. "Wenn Kunde X ein bestimmtes Produkt bestellt, dann wird Material Y benötigt") wird der Sekundärbedarf aus dem Primärbedarf abgeleitet.
Optimierung der Bestände
Fehler in der Bedarfsermittlung können zu überhöhten Lagerbeständen oder zu Materialengpässen führen. Daher sollten Unternehmen folgende Faktoren berücksichtigen:
- Sicherheitsbestand:
Ein Puffer, um unerwartete Nachfrageschwankungen auszugleichen. - Mindestbestellmenge und Vorlaufzeiten:
Diese Parameter helfen, den optimalen Zeitpunkt für Nachbestellungen zu ermitteln und so Produktionsunterbrechungen zu vermeiden. - Analytische Instrumente:
Methoden wie die ABC-Analyse, Materialflussanalysen und Wertstrom-Mapping unterstützen die Optimierung der Lagerbestände und ermöglichen präzisere Bestandsprognosen.
Herausforderungen
Die Bedarfsermittlung wird zunehmend komplex, insbesondere in global vernetzten Lieferketten. Unterschiedliche Lieferanten, saisonale Schwankungen und lange Vorlaufzeiten erfordern regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen der Prognosen. Ungenaue Bedarfsermittlungen können zu Produktionsstörungen und erheblichen Kostensteigerungen führen, weshalb eine sorgfältige Planung und kontinuierliche Optimierung unerlässlich ist.
Mit einer effektiven Bedarfsermittlung können Unternehmen ihre Produktionsprozesse reibungslos steuern, Lagerkosten senken und die Lieferbereitschaft sichern – ein entscheidender Faktor für den nachhaltigen Unternehmenserfolg.